Definition
Der Gender Pay Gap beschreibt den Verdienstabstand pro Stunde zwischen Frauen und Männern. Die Ursachen hierfür können unterschiedlich aussehen: Frauen arbeiten beispielsweise in schlechter bezahlten Berufen oder erreichen seltener Führungspositionen als Männer. Einige Frauen erhalten auch dann von ihrem Arbeitgeber weniger, wenn Tätigkeit, Bildungsweg und Erwerbsbiografie vergleichbar mit denen der männlichen Kollegen sind. Quelle: Statistisches Bundesamt.
Der Gender Pay Gap – gibt es ihn noch?
Diese Frage lässt sich leicht mit Zahlen des Statistischen Bundesamtes beantworten. Es untersucht die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland jährlich. Für 2023 ergab die Erhebung:
Gender Pay Gap 2022
18 % Gender Pay Gap (unbereinigt)
7 % Gender Pay Gap (bereinigt)
39 % Gender Gap Arbeitsmarkt
Laut der Untersuchung des Statistischen Bundesamtes verdienten Frauen in Deutschland im Jahr 2022 pro Stunde 18 % weniger als Männer. Das heißt: Ja, es gibt weiterhin einen statistischen Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen.
Was bedeuten die unterschiedlichen Zahlen?
Um zu verstehen, welche Bedeutung diese Ergebnisse heute haben, muss man die unterschiedlichen Zahlen des Bundesamtes verstehen.
Zahl Nr. 1: der unbereinigte Gender Pay Gap
Dies ist der reine zahlenmäßige Unterschied zwischen den Bruttostundenlöhnen von Männern und Frauen. Er wird seit 2006 erhoben und hat sich in diesem Zeitraum nach und nach leicht verringert, von 23 auf 18 %. Seit 2021 bleibt er in etwa gleich bei 18 %. Das kann unter anderem mit der Kurzarbeit während der Coronakrise zu tun haben.
Übrigens: In Ostdeutschland ist der unbereinigte Gender Pay Gap deutlich kleiner als in Westdeutschland. Hier verdienen Frauen durchschnittlich „nur“ 7 % weniger als Männer, wie das Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Institut (WSI) analysiert hat.
Zahl Nr. 2: der bereinigte Gender Pay Gap
Der Gender Pay Gap wird durch viele strukturelle Aspekte beeinflusst, die mit Gender zu tun haben. Dazu zählen zum Beispiel Differenzen in Bezug auf Beruf, Branche, Beschäftigungsumfang, Qualifikation und Karrierelevel. Deshalb wird versucht, die Statistik von diesen Aspekten zu „bereinigen“, entsprechende Faktoren also herauszurechnen. Dabei können jedoch nicht alle Unterschiede berücksichtigt werden. Verdienstunterschiede durch Elternzeit sind beispielsweise nicht in der Berechnung enthalten.
Zahl Nr. 3: der „Gender Gap Arbeitsmarkt“
Frauen verdienen pro Stunde weniger Geld als Männer. Sie arbeiten jedoch auch häufiger in Teilzeit oder nehmen gar nicht am Arbeitsmarkt teil, zum Beispiel während sie unbezahlte Arbeit in der Familie erbringen. Um diese Dimensionen der Verdienstungleichheit sichtbar zu machen, wird EU-weit der Gender Gap Arbeitsmarkt erhoben. Er verrechnet drei Gender Gaps: Den „Gender Pay Gap“, den „Gender Hours Gap“ und den „Gender Employment Gap“.
Diese Kennzahl liegt mit 39 % wesentlich höher als der unbereinigte Gender Pay Gap. Sie bietet einen Indikator für Verdienstungleichheit zwischen Männern und Frauen insgesamt.
Gender Pay Gap – wie überall? Der Europäische Vergleich
Der Gender Pay Gap in Deutschland ist sehr groß. Im Vergleich der 27 EU-Länder lag Deutschland 2021 auf Platz 3 – größer war die Lücke lediglich in Estland und Österreich. In Belgien etwa lag der Gender Pay Gap bei etwa 4 Prozent*. In Luxemburg verdienen Frauen und Männer gleich.
Der internationale Vergleich ist allerdings nicht immer eindeutig. So ist die Lohnlücke beispielsweise in Ländern geringer, in denen insgesamt weniger Frauen am Arbeitsmarkt beteiligt sind. Dazu zählt nach Analyse des Deutschen Wirtschaftsinstituts beispielsweise Italien, wo mehr Frauen als in Deutschland unbezahlt in der Familie arbeiten.
Andererseits schneidet Deutschland auch im Vergleich mit Ländern schlecht ab, deren Frauenerwerbsquote mit der hiesigen gut vergleichbar ist. So ist zum Beispiel in Dänemark, Schweden und Finnland ein noch größerer Anteil von Frauen als in Deutschland erwerbstätig – und verdient im Vergleich trotzdem deutlich besser. Der vergleichsweise große Lohnunterschied in Deutschland lässt sich also nicht einfach herausrechnen.
Warum ist der Gender Pay Gap in Deutschland so hoch? Oder anders gefragt: Was können wir aus dem Vergleich lernen? Laut Jutta Schmieder vom DIW können vor allem politische Entscheidungen die Lohnlücke schmälern:
Das steht und fällt […] mit einer Familienpolitik mit starken gleichstellungspolitischen Elementen – und in dieser Hinsicht gibt es in Deutschland noch viel Potenzial.
Jutta Schmieder
Deutsches Wirtschaftsinstitut
Als Beispiele nennt sie eine Reform des Ehegattensplittings, die Einführung der Elternarbeitszeit und den Kitaausbau.
Persönliche Entscheidung Nr. 1: der „Frauenberuf“
Ein Beispiel dafür ist die Branche: Eine 2015 veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass das Durchschnittsgehalt in Deutschland in Arbeitsfeldern, in denen mehr Frauen tätig werden, sinkt. Die Autor:innen resümieren über die Gründe:
Dies liegt jedoch nicht daran, dass die Löhne beider Geschlechter in diesem Beruf sinken, sondern daran, dass mehr Frauen mit konstant niedrigeren Verdiensten als Männer in diesem Beruf arbeiten. Dies spricht für eine gesellschaftliche Abwertung aller erwerbstätigen Frauen, unabhängig von der vorherrschenden Geschlechtertypik des Berufs.
Das bedeutet: Es ist keineswegs nur die freiwillige Entscheidung für einen „Frauenberuf“, der zu Lohnungerechtigkeit führt. Andererseits kann man auch grundsätzlich hinterfragen, warum die Gehälter in Berufen, die mit Care-Arbeit zu tun haben – etwa Kinderbetreuung, Altenpflege, Haushaltstätigkeiten – so niedrig sind. Diese Berufe werden häufiger von Frauen ausgeübt und gesellschaftlich häufig als „Frauenberufe“ wahrgenommen.
Persönliche Entscheidung Nr. 2: Teilzeit- und Care-Arbeit
Auch die Entscheidung zwischen Teil- und Vollzeitarbeit ist nicht immer eine freiwillige. Durch das Ehegattensplitting wird es Frauen unter Umständen sogar politisch nahegelegt, gar nicht oder weniger zu arbeiten. Für verheiratete Frauen ist der Arbeitsmarkt dann finanziell manchmal kaum lohnenswerter als der “Heiratsmarkt”.
Außerdem ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob Frauen sich grundsätzlich persönlich dazu entscheiden, unbezahlter Care-Arbeit in der Familie nachzugehen. Katja Wrohlich vom DIW stellt das infrage:
Bleiben alle diese Frauen wirklich freiwillig in Teilzeit? Oder weigern sich ihre Partner, zuhause einen Teil der Sorgearbeit zu übernehmen? […] Haben sie vielleicht keinen Zugang zu guter Kinderbetreuung? Pflegen sie ihr Angehörigen, weil es sonst keiner macht?
Katja Wrohlich
DIW
Wrohlich und ihre Kolleg:innen vom DIW haben in einer Vergleichsstudie herausgefunden, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Erwerbsquote von Frauen und dem Gender Pay Gap gibt. Das heißt: Sind in einem Land mehr Frauen berufstätig, dann wird Lohnlücke zwischen Männern und Frauen kleiner.
Der Gender Pay Gap – intersektional betrachtet
Gay Pay Gap
Gender ist nicht das einzige Merkmal, an dem sich das Gehalt scheidet. 2017 wurden in Deutschland erstmals die Lebenslagen von Menschen in Deutschland anhand ihrer sexuellen Orientierung verglichen. Dabei zeigte sich beispielsweise: Homo- und bisexuelle Männer verdienen durchschnittlich pro Stunde etwa zwei Euro weniger als heterosexuelle.
Diese Zahlen deuten neben dem Gender Gap auch auf einen „Sexuality Pay Gap“ oder „Gay Pay Gap“ hin, der bei ca. 12% des Bruttolohns liegt. Er lässt sich bislang nicht durch Faktoren wie unterschiedliche berufliche Qualifikationen erklären.**
Laut einer Studie aus den USA – für Deutschland gibt es keine vergleichbaren Daten – fallen die Lohnunterschiede zwischen Cis- und Transpersonen noch drastischer aus. So verdienten Trans-Personen dort 2021 im Durchschnitt 32 % weniger als Cis-Männer und –Frauen. Sie zeigten zudem ein doppelt so hohes Risiko der Arbeitslosigkeit.
Migration Pay Gap
Auch Migration ist ein Risiko für niedrigere Löhne. Angaben der Europäischen Kommission zufolge verdienen Migrant:innen in der EU durchschnittlich 13 % weniger als Menschen ohne Migrationsgeschichte. Diese Lohnlücke ist den vergangenen Jahren sogar gestiegen. In Luxemburg beispielsweise verdoppelte sie sich fast: von 15 % (2015) auf 27 % (2023).
Diese Lohnlücke existiert auch in Deutschland und auch unter Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. So verdienen Männer mit Migrationshintergrund rund 16 % Frauen 15 % weniger als Staatsbürger:innen ohne Migrationsgeschichte. Bei Frauen fällt entsprechend zusätzlich bzw. gleichzeitig der Gender Pay Gap ins Gewicht.
Disability Pay Gap
Dass viele Menschen aufgrund ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden, ist bekannt. Wie drückt sich dies aber in Zahlen aus?
In England wird eine Statistik zum „Disability Pay Gap“ erhoben und für 2021 mit 14 % angegeben. Menschen mit Behinderung verdienten demnach unabhängig von ihrem Geschlecht im Schnitt 14 % weniger als Arbeitnehmende ohne Behinderung.
Für Deutschland gibt es keine vergleichbar aktuellen und detaillierten Untersuchungen. Zuletzt 2017 wurde das Nettoeinkommen behinderter und nicht behinderter Menschen in Deutschland verglichen. Dabei zeigte sich, dass Menschen mit Behinderung etwa im Durchschnitt etwa 260 € monatlich weniger verdienten als Menschen ohne Behinderung. Hierbei wurde die Art des Einkommens nicht berücksichtigt, auch Sozialleistungen sind also einbezogen.
Wir müssen daher davon ausgehen, dass Menschen aufgrund von Behinderungen am Arbeitsmarkt auch finanziell benachteiligt werden. Einen Extremfall bilden Beschäftigte von Werkstätten für Menschen mit Behinderung, denn dort gilt der Mindestlohn nicht. Der Stundenlohn lag hier 2022 bei durchschnittlich 1,46 Euro – einen Cent unter dem durchschnittlichen Preis einer Kugel Eis.
Der Gender Pay Gap und weitere Lohnlücken: komplex und weiterhin relevant
Es gibt sie weiterhin, die Lohnlücke in Abhängigkeit vom Geschlecht, oder anders: die gehaltsbezogene Diskriminierung aufgrund von Geschlecht. Der Gender Pay Gap – als unbereinigte und bereinigte Kennzahl – kann auch nicht ausschließlich auf persönliche Entscheidungen zurückgeführt werden. Diese Entscheidungen – zum Beispiel für Care-Arbeit oder Teilzeitstellen – sind nicht von den gesellschaftlichen Strukturen zu trennen, in denen sie getroffen werden.
Andererseits ist der Gender Pay Gap eben nur eine einzelne Kennzahl – ein einzelner Aspekt oder Indikator von Lohnungleichheit. Es gibt zahlreiche weitere, die auch zur Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt beitragen, etwa den Gay Pay Gap, den Migration Pay Gap, den Disability Pay Gap. Sie bilden gleichsam Intersektionen mit geschlechtsbezogener Diskriminierung: Frauen mit Migrationserfahrung erleben unter Umständen andere Formen der Diskriminierung als Frauen ohne Migrationsgeschichte oder mit einer Behinderung.
Links zum Thema
- Statistisches Bundesamt: Wie wird der Gender Pay Gap erhoben und berechnet?
- Deutsches Wirtschaftsinstitut: Die Lebenssituation von Lesben, Schwulen und Bisexuellen: Bevölkerungsrepräsentative Befunde zur Vielfalt in Deutschland
- Deutsches Wirtschaftsinstitut: Wie man es dreht und wendet: Deutschland hat einen der höchsten Gender Pay Gaps in Europa
- Office for National Statistics: Disability pay gaps in the UK: 2021
- Wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Institut (WSI): GENDER PAY GAP 2006-2022
* Wenn nicht anders angegeben, ist immer der unbereinigte Gender Pay Gap gemeint. Nicht in allen Ländern und nicht zu allen Pay Gaps liegen bereinigte Daten vor.
** Einen differenzierten Überblick über internationale Analysen zum Thema bietet Karin Schönpflug in ihrem Beitrag “Der Gender Pay Gap aus Perspektive von LGBTI Personen“.
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