Mächtige Burgen thronen auf hohen Felsen – ein imposanter Anblick, doch für viele Menschen aufgrund steiler, schwieriger Wege unerreichbar. Inklusive Tourismuskonzepte eröffnen neue Wege zu historischen Festungen – mit modernen Aufzügen, cleveren Lösungen und einem neuen Bewusstsein für Barrierefreiheit. Doch wie zugänglich werden mittelalterliche Burgen wirklich? In diesem Beitrag erkunden wir die Thüringer Leuchtenburg und andere barrierefreie Burgen – und zeigen, wo noch Hürden bestehen.

Barrierefreies Reisen in Deutschland

Der Sommer naht, die Urlaubsplanung steht an? Was einigen eine Quelle der  Vorfreude ist, kommt für andere mit einer langen Liste von Fragen: Gibt es vor Ort Wanderwege, die mit Rollstuhl befahrbar sind? Hat der Bahnhof Bodenleitsysteme, sodass man sich zurechtfindet, ohne zu sehen? Kann man die Dusche im Hotel stufenlos betreten? Die Planung barrierefreier Reisen kann mühsam und die Suche nach passenden Zielen und Wegen lang sein.

In Deutschland ist nur ein Bruchteil der Tourismuseinrichtungen barrierefrei

Reisen für alle“: Die Kennzeichnung wurde 2011 eingeführt und durch das Bundeswirtschaftssystem gefördert. Sie zeigt an, dass Tourismuseinrichtungen weitgehend barrierefrei sind. Bis 2023 waren jedoch unter 3.000 Einrichtungen in Deutschland damit zertifiziert. Insgesamt gibt es jedoch etwa 650.000. Verlässlich barrierefrei ist also nur ein Bruchteil – und bei den meisten muss man sich die Informationen zu einzelnen Aspekten der Barrierefreiheit mühevoll zusammensuchen.

Die tourismuspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Ina Latendorf, bezeichnete die Kennzeichnung Reisen für alle vor Kurzem gar als „Geldgrab mit geringer Wirkung“, da so wenige Einrichtungen zertifiziert wurden. Mit einer Kleinen Anfrage hatte Die Linke hatte bei der Bundesregierung Auskunft über die Entwicklung des barrierefreien Tourismus eingeholt. Die Antwort der Regierung von Februar 2025 zeigt Latendorf zufolge, dass die Weiterentwicklung nur sehr langsam voranschreitet und hinter den Plänen der Koalition deutlich zurückbleibt.

Aber: Nur, weil hierzulande die Entwicklung zu schleichen scheint, heißt das nicht, dass sie stagniert – weder national noch international. Einige touristische Ziele beginnen gerade damit, Barrierefreiheit für sich zu entdecken und umzusetzen.

Einige davon wurden im März 2025 beim Tag des barrierefreien Tourismus in Berlin vorgestellt. Sie gehören nicht zu den Arten von Zielen, an die man bei Barrierefreiheit denkt. So haben wahrscheinlich noch nicht viele Menschen im Rollstuhl den Weg auf eine Höhenburg gefunden.

Die Thüringer Leuchtenburg

Runde rote Dächer, helle Türme zwischen Bäumen: Von unten im Tal betrachtet, ragt die mittelalterliche Festungsanlage eindrucksvoll in den Himmel und dominiert die Landschaft. Ihre markante Silhouette zeichnet sich deutlich gegen den Horizont ab. Die Leuchtenburg überragt das umliegende Saaletal um mehr als 200 Meter.

Der Ausblick von oben hingegen ist für viele schwer zu erreichen. Die Thüringer Leuchtenburg, bei Seitenroda in der Mitte Deutschlands gelegen, ist erst einmal eine Festung, berichtet der Vorstand der Leuchtenburg-Stiftung auf der Tourismusmesse.

Eine Höhenburg, auf einem hohen Berg errichtet wurde, ist das Gegenteil von barrierefrei. Man hat die Burg errichtet, um Barrieren aufzubauen. Das Wesen einer Burg ist die Barriere: Man wollte jemanden abhalten, zu einem zu kommen.

Sven-Erik Hitzer

Stifter und Vorstand der Stiftung Leuchtenburg

Festung, Gefängnis, Hotel: 1000 Jahre Leuchtenburg

Wie Hitzer berichtet in seiner Vorstellung der Burg berichtet, blickt sie auf eine lange Geschichte der Abschreckung zurück. Erstmals 1221 in einer Urkunde erwähnt, diente sie im Mittelalter als Stammburg der Herren von Lobdeburg-Leuchtenburg. Etwa 1460 kamen die Verteidigungsanlagen mit vier Wehrtürmen hinzu. Und für mehr als ein Jahrhundert (1724-1871) diente sie als „Zucht-, Armen- und Irrenhaus“, wie es auf der Website der Leuchtenburg heißt.

Einladender wurde es danach: Ab 1873 wurde die Burg als Hotel und ab den 1921 als Jugendherberge erschlossen. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs diente sie als wichtiges Zentrum der Jugendbewegung. Eines blieb jedoch unverändert: Die beschwerlichen Wege auf und durch die Burg.

Die Burg erstürmen – aber im Aufzug

Als Höhenburg liegt die Festung auf einem Berg in fast 400 Höhenmetern. Entsprechend ausschweifend ist der Rundumblick von oben ins Saaletal, entsprechend lang der Aufstieg. Und genau schafft nun ein besonderes Bauprojekt Abhilfe: Ein Schrägaufzug, der die letzten 60 Meter vom Parkplatz zur Burg überbrückt und bis zu 30 Personen transportieren wird. Er endet vor dem Eingang der Burg, die dann zu Fuß und ggf. mit Hilfsmitteln betreten wird. „Die Erstürmung der Burg“, so Hitzer, möchte die Stiftung damit „als wichtigen großen Mythos belassen“.

Seit letztem Jahr sind die Bauarbeiten zum Aufzug im Gange. Nach Recherchen der Stiftung ist ein Schrägaufzug die wirtschaftlichste und ökonomischste Art, die Festung barrierefreier zugänglich zu machen. Dennoch kostet er etwa acht Millionen Euro – und einige Jahre komplizierter Auseinandersetzungen mit verschiedenen Themen, Institutionen und Parteien.

Viele Punkte der Barrierefreiheit sprechen per se gegen den Erhalt und den Schutz des Denkmals. Es gibt auch Naturschutzaspekte, denn man darf nicht vergessen, dass man mit Barrierefreiheit letztendlich Ressourcen verbraucht. Hinzu kommen viele Hemmnisse von Behördenseite, was nicht schlecht gemeint ist – jeder fühlt sich dem Thema Denkmalpflege und Naturschutz verpflichtet.

Sven-Erik Hitzer

Stifter und Vorstand der Stiftung Leuchtenburg

In der Politik habe es insgesamt Unterstützung gegeben, wobei die Stiftung in den 17 Jahren ihres Bestehens mit Thüringer Landesregierungen in „faktisch allen Parteienkonstellationen“ verhandelt habe.

Was barrierefrei möglich ist – und was nicht

Dabei ist der Aufzug nicht die einzige Maßnahme der Barrierefreiheit, die durch die Stiftung an der Leuchtenburg realisiert wird und wurde. Wie Hitzer berichtet, musste das Pflaster im Innenhof der Burg ersetzt werden, um es überfahrbar zu machen. Inzwischen sind neben dem insgesamt stufenlosen Zugang zur Burg beispielsweise auch Gastronomie, Besucher:innenzentrum, Terrasse und Ausstellungsräume mit Rampen und einem Aufzug zugänglich.

Einen Ausblick auf das Saaletal bietet außerdem der breit angelegte Panoramaweg um die Burg. Aber nicht alles ist ohne Weiteres barrierefrei machbar.

Wir haben vielleicht nicht jede Steigung vorschriftsgemäß, das heißt mit Ruherampen einhalten können. Also nicht alles ist optimal, aber wir haben versucht, alles Machbare zu berücksichtigen. Als wir die Innenräume erschlossen haben, haben wir versucht, die Ebenen untereinander über Stege und Aufzüge zu verbinden. An die Porzellankirche kommen wir aber bislang nicht ran.

Sven-Erik Hitzer

Stifter und Vorstand der Stiftung Leuchtenburg

Neben der modern gestalteten Porzellankirche auf dem Gelände sind beispielsweise der Bergfried – der höchste Turm der Burg – und der Rittersaal (noch) nicht stufenlos zu erreichen.

Barrieren bei der Gestaltung der Burg zu berücksichtigen und systematisch abzubauen, ist angesichts der „älter werdenden Bevölkerung“, wie Hitzer es umschreibt, sicher auch eine ökonomische Entscheidung. Dennoch geht es der Stiftung um Grundsätzliches:

Man hätte sie zur privaten Burg machen können und für alle Welt verschließen. Man hätte daraus ein Hotel machen können. Wir haben uns dazu entschlossen, sie dauerhaft öffentlich zu halten. Wir wollen eine dauerhaft öffentliche und begehbare Burg, kein Gefängnis mehr, keinen Schutzraum.

Sven-Erik Hitzer

Stifter und Vorstand der Stiftung Leuchtenburg

Die Burg ist mit dem Siegel „Reisen für alle“ zertifiziert worden.

Barrierefreiheit bleibt eine Baustelle – auch für diese Saison

Der Schrägaufzug aber wird wider Erwarten noch nicht für die kommende Saison fertiggestellt werden, denn die Bauarbeiten ziehen sich in die Länge. „Wir arbeiten auf Hochtouren“, erfährt man auf Nachfrage bei der Burg, „aber werden realistischerweise nicht vor Dezember fertig.“ Wer die Festung schon vorher besuchen möchte und mobilitätseingeschränkt ist, kann sich gerne vorab melden und erhält dann Unterstützung für den Weg.

Burg Falkenberg mit dem Tor zum Aufzugsschacht am Fuß des Felsens

Andere barrierefreie Burgen

Wer mit der Burgerstürmung nicht auf den Thüringer Aufzug warten mag, kann zu anderen Zielen aufbrechen. Verschiedene andere Burgen in Deutschland setzen seit Jahren barrierefreie Tourismuskonzepte um.

Die erste: Burg Falkenberg im Fichtelgebirge

Als „Deutschlands erste barrierefreie Burg“ wurde 2016 über Burg Falkenberg in Bayern berichtet. Lange im Privatbesitz, kaufte die Gemeinde der umliegenden Ortschaft Falkenberg in der Oberpfalz die Festung im Jahr 2008 und sanierte sie umfangreich. Sie ist zwar nicht auf einem Berg, aber auf einem hohen Granitfelsen gelegen. Um sie dennoch zugänglich zu machen, wurde ein Aufzugsschacht in den Felsen gesprengt.

Die Burg dient heute als Museum und Hotel. Der Museumsbesuch ist bereits barrierefrei möglich. Auch übernachten können Rollstuhlnutzer:innen hier, sollte aber früh buchen: Von den acht Zimmern des kleinen Burghotels ist eines barrierefrei.

Burgen in Berlin-Brandenburg: teilweise barrierefrei

Auch vor der sprichwörtlichen Berliner Haustür sind einige Burgen weitgehend barrierefrei zugänglich. Im flachen Umland finden sich dabei nicht so spektakuläre Aussichten wie in Bayern oder Thüringen, aber dennoch spannende Orte im Grünen mit langer Geschichte.

Drei Ausflugstipps

Burg Storkow (Mark)

Die Burg Storkow ziert das umliegende Seenland seit über 800 Jahren. Sie ist saniert und zum modernen Veranstaltungsort gestaltet worden, der auch außerhalb von Veranstaltungen besichtigt werden kann. Sie liegt etwa 40 km von Berlin entfernt und bietet detaillierte Infos zur Barrierefreiheit.

Museum Schloss und Festung Senftenberg

Das Museum Schloss und Festung Senftenberg ist eine sächsische Festung, die um 1600 auf dem Fundament einer mittelalterlichen Burg errichtet wurde. Die Anlage mit ihren Geheimgängen, dem Pulverturm und gut geschütztem Festungsportal ist teilweise barrierefrei zugänglich. Sie liegt am Rande von Brandenburg, kurz vor der sächsischen Grenze, etwas über 100 km von Berlin entfernt.

Zitadelle Spandau

Aber auch eine mittelalterliche Burg in Berlin stellt sich nach und nach den Anforderungen der Barrierefreiheit: die Zitadelle Spandau. Wie alle Festungen kämpft auch sie mit den Anforderungen des Denkmalschutzes, sodass bislang nicht alle Bereiche für mobilitätseingeschränkte Menschen zugänglich sind. Die meisten Ausstellungsräume und alle öffentlichen Gebäude auf dem Gelände sind jedoch bereits stufenlos zugänglich und das Kopfsteinpflaster kann durch ein barrierefreies Wegeleitsystem überbrückt werden. Weitere Informationen zur zunehmend barrierearmen Spandauer Festung finden sich auf der Website der Zitadelle.

Die Zitadelle Spandau

Fazit: Barrierefreie Burgen sind im Kommen – aber eher langsam

Nach und nach werden neue Ziele für barrierefreien Tourismus erschlossen. Diese Entwicklung betrifft auch Ziele, die vor einigen Jahrzehnten kaum denkbar gewesen wären, wie die Leuchtenburg auf ihrem steilen Thüringer Berg. Es geht also voran – aber zu langsam, wie auch die geringe Nutzung des Reisen-für-alle-Siegels zeigt.

Wie sieht es in anderen Ländern aus, welche neuen Reiseziele werden in und außerhalb Europas erschlossen? Darauf geben wir demnächst in weiteren Artikeln auf diesem Blog einen Ausblicke.