Soziale Arbeit setzt sich ein – für Gerechtigkeit, Teilhabe, Menschenrechte. Gegen Diskriminierung und für die gesellschaftliche Gleichberechtigung verschiedener, auch benachteiligter Gruppen. Aber wie sieht es innerhalb sozialer Einrichtungen aus? Wie offen sind sie gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte? Und: Wie steht es um die beruflichen Aufstiegschancen von Frauen?

Gesellschaftliche Machtstrukturen bilden sich in Unternehmen ab

Manuela Vollmann und Lina Zierlinger begleiten Frauen* in Österreich beim (Wieder-)Einstieg in den Beruf und beraten Unternehmen zu Fragen der Gleichstellung. In einem Plädoyer „für mehr Feminismus in Unternehmen“ fassen die beiden zusammen:

Alle Kategorien, die gesellschaftliche Privilegierung bzw. gesellschaftlichen Ausschluss beeinflussen, sind auch in Unternehmen von Relevanz. Das Geschlecht, die Hautfarbe, die Klassenzugehörigkeit, die Religion, das Alter und viele weitere soziale Kategorien haben Einfluss auf die Position in einem Unternehmen und bestimmen somit Handlungs- und Entscheidungsspielräume.
Manuela Vollmann und Lina Zierlinger (2021, 398)

Man muss demnach davon ausgehen, dass in jedem Unternehmen und jedem Team erst einmal die gleichen Mechanismen wirksam sind, die auch unsere Gesellschaft zu einer ungleichen machen. Diese Faktoren – zum Beispiel (k)eine Frau zu sein oder (nicht) queer zu sein, (k)eine Behinderung oder (k)eine Migrationsgeschichte** zu haben – beeinflussen uns in unseren professionellen Kontexten. Sie entscheiden darüber mit, wer in einem Unternehmen welche Position erreicht, über welche Ressourcen verfügt, welche Entscheidungen treffen darf.

 

Ist das in Sozialer Arbeit anders, oder anders gefragt: Warum sollte es anders sein? Dieser Frage geht Berl[in]klusiv mit zwei Beiträgen nach. Anhand von Studien geben wir Einblicke in die Thematik anhand von verschiedenen Faktoren, die zu ungleichen Erfahrungen führen können: Migrationsgeschichte, Gender, Behinderung und Klasse***.

Sozialarbeiter:innen mit Migrationsgeschichte

Laut statista waren am deutschen Arbeitsmarkt im Jahr 2022 14,5% ‚Ausländer:innen‘ beteiligt, also Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Der Anteil in den zusammengefassten Berufsgruppen „Erziehung, soziale und hauswirtschaftliche Berufsgruppen, Theologie“ liegt mit 7,6% etwa halb so hoch.

Am höchsten ist der Anteil in Branchen, die keine Ausbildung und wenig deutsche Sprachkenntnisse voraussetzen, zum Beispiel in den Reinigungsberufen (ca. 40%). Aber auch in technischen Bereichen liegt der Anteil über dem Durchschnitt, in der Informatik zum Beispiel bei rund 13%. Dabei kann eine Rolle spielen, dass Fachkräfte für technische Berufe auch aus dem Ausland aktiv angeworben werden.

Wenige Zugewanderte arbeiten in der Sozialen Arbeit – oder?

Der Anteil Zugewanderter in der Sozialen Arbeit wirkt also im Vergleich erst einmal niedrig. Leider ist die Statistik für die Profession wenig aussagekräftig. Da Soziale Arbeit mit anderen Berufsgruppen zusammengefasst wird, sind die Zahlen nur schwer einzuschätzen.

Außerdem sagen die Angaben nichts darüber aus, wie viele Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft und einer Migrationsgeschichte am Arbeitsmarkt beteiligt sind. Sie beschreiben auch nicht, in welchen Branchen sie arbeiten oder welches Arbeitsklima sie dort vorfinden.

Soziale Arbeit als Weißer Raum

Unter anderem dieser Frage widmete sich Martina Tißberger (2020) in ihrer Studie „Soziale Arbeit als weißer* Raum“. Sie führte Interviews mit Weißen Sozialarbeiter:innen in Österreich zum Thema Rassismus.

Tißberger beschriebt Soziale Abeit als ‚Weißen Raum‘, in dem hauptsächlich Weiße Menschen arbeiten und Entscheidungen treffen.

Die befragten Sozialarbeitenden, die mit Menschen mit Migrationshintergrund arbeiteten, äußerten sich ggf. zu Rassismus und Diskriminierung. Allerdings wurde ihre eigene Position als Weiße Menschen in Machtpositionen nicht reflektiert bzw. nicht wahrgenommen:
Sozialarbeitenden als Professionelle einer Menschenrechtsprofession fällt es jedoch besonders schwer, sich vorzustellen, dass sie schon allein durch ihr Weißsein* Teil des Rassismus sind, denn sie wähnen sich per se auf der „guten Seite“. Dass die gesamte Gesellschaft rassistisch strukturiert ist, nehmen die Sozialarbeiter*innen mehrheitlich nicht wahr.
Martina Tißberger (2020)

Und in Deutschland? Kritik an „sekundärem Rassismus in Sozialer Arbeit“

Es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten zwischen Sozialer Arbeit in Deutschland und Österreich. Dennoch können die Ergebnisse aus Tißbergers Studie deshalb nicht automatisch auf Deutschland übertragen werden.

Gleichsam überschneiden sie sich mit Ergebnissen aus älteren Studien in Deutschland, auf die wir in einem früheren Artikel über Diskriminierung eingegangen sind. Hierzulande entstand im Kontext der Jugendhilfe der Begriff des sekundären Rassismus (Melter, 2006) für ein Klima, in dem Rassismuserfahrungen ausgeblendet oder geleugnet werden.

Wenn Sozialarbeitende diese Haltungen gegenüber Klient:innen einnehmen können, besteht zumindest das Risiko, dass sie dies auch unter Kolleg:innen tun. Tißbergers Studie zeigt, dass diese Haltungen eng mit dem Bewusstsein für die eigene Position in der Gesellschaft und Geschichte zu tun haben.

Über die aktuelle Situation von Sozialarbeiter:innen mit Migrationsgeschichte lässt sich also nur wenig Konkretes sagen. Qualitative Studien geben Anhaltspunkte dafür, wachsam zu sein und sich für ein offenes, antirassistisches Klima in den Organisationen einzusetzen.

​Soziale Arbeit – ein „Frauenberuf“?

In Deutschland sind etwa so viele Frauen am Arbeitsmarkt beteiligt wie Männer. 2021 waren beispielsweise 48 % der Erwerbstätigen Frauen. Auf der Leitungsebene sieht es jedoch anders aus: Nur jede vierte Führungsposition ist von einer Frau besetzt.

Wie sind soziale Berufe im Vergleich dazu aufgestellt? Insgesamt arbeiten dort deutlich mehr Frauen als Männer. Im Bereich Erziehung beispielsweise liegt ihr Anteil stetig über 70% (Bundesagentur für Arbeit, 2023). Daher könnte man annehmen, dass in Leitungspositionen von NPOs Frauen entsprechend häufig vertreten sind. Die Datenlage hierzu stiftet allerdings zunächst Verwirrung.

Weibliche Führungskräfte in der Sozialen Arbeit – ein Zahlensalat

Laut Statistischem Bundesamt arbeiteten 2023 im Bereich Erziehung und Unterricht 67% und im Gesundheits- und Sozialwesen 61% Frauen in Führungspositionen – deutlich mehr als in anderen Bereichen. Statista führt andere Zahlen auf: Laut Umfragen sind nur 36% der Führungspositionen im Gesundheitswesen von Frauen besetzt, das Sozialwesen wird hier nicht einzeln erfasst.

Diese Angaben unterscheiden sich bereits stark voneinander. Gleichzeitig sind sie wenig ausdifferenziert und lassen daher kaum Rückschlüsse auf einzelne Berufe zu.

Daneben erheben beispielsweise die Wohlfahrtsverbände teils eigene Zahlen. Laut der Caritas lag der Anteil von Frauen an Führungspositionen im Jahr 2019 bei lediglich 23% – während 82,1% der Beschäftigten Frauen waren. Ähnlich ist die Lage bei der AWO und der Diakonie. Auch Daten von Jugendämtern zeigen, dass Frauen auf Führungsebenen im Verhältnis zu ihrem Anteil an den Arbeitskräften deutlich unterrepräsentiert sind (zusammenfassend Boecker & Maillaro, 2022).

Wer führt wen und wo? Genauer hingeschaut

Diese Zahlen sind nicht ganz leicht miteinander in Einklang zu bringen. Sie zeigen jedoch, dass in sehr vielen Organisationen der Sozialen Arbeit weiterhin wenige Frauen in Leitungspositionen arbeiten. Eine zusammenfassende Analyse von Johanna Kiss (Wiese & Kiss, 2018) verweist noch auf zwei weitere wichtige Faktoren:

  • Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Führungsebenen. Weiterhin finden sich weibliche Führungskräfte vorwiegend auf der zweiten Führungsebene (Teilbetriebsleitung) und selten auf der ersten (Geschäftsführerin).
  • Es gibt einen großen Unterschied zwischen neuen und alten Bundesländern. In den neuen sind mehr Frauen auf Führungsebenen der Verbände tätig, in den alten teils gar keine.

Und das Gehalt?

Frauen erhalten im Gesundheitswesen durchschnittlich einen um 30% geringeren Stundenlohn und verdienen im Sozialwesen etwa 5% weniger als Männer, wie ein aktueller Report des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut zeigt (Pfahl et al., 2023). Auch im Sozial- und Gesundheitswesen gibt es demnach einen Gender Pay Gap. Während dieser im Gesundheitswesen deutlich größer ist als die durchschnittliche Lohnlücke in Deutschland (18%), liegt er im Sozialwesen – einschließlich Sozialer Arbeit – wesentlich darunter.

Soziale Arbeit auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit

So kann vorsichtig festgehalten werden: Im Sozial- und Gesundheitswesen insgesamt arbeiten mehr Frauen in Führungspositionen als in anderen Branchen. Für die Soziale Arbeit selbst sind diese allgemeinen Angaben aber noch wenig aufschlussreich.

Genauere Betrachtungen einzelner Arbeitsbereiche verweisen immer wieder auf deutlich geringere Anteile führender Frauen – vor allem im Verhältnis zu ihrem Anteil an den Arbeitskräften der Branche. Weite Teile Sozialer Arbeit differenzieren sich demnach weiterhin in Arbeit ‚mit Menschen‘, die vorwiegend von Frauen ausgeführt wird, und Arbeit im Bereich Management, wo Männer überwiegen. Dabei zeigen sich auch Lohnunterschiede. Diese sind jedoch insgesamt in der Sozialen Arbeit geringer als im gesamtdeutschen Vergleich.

Bliebt dran – wir setzen unsere Betrachtung von Gleichberechtigung in der Sozialen Arbeit fort. Im nächsten Artikel geht es um die Frage, wie inklusiv Organisationen der Sozialen Arbeit sind, und um Klassismus um Studium der Sozialen Arbeit.

Weiterlesen? Literatur zum Thema

Boecker, M., & Maillaro, R. (2022). Warum ist die Leitung sozialer Organisationen männlich? Lambertus.

Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.). (2023). Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2022. https://statistik.arbeitsagentur.de/DE/Statischer-Content/Statistiken/Themen-im-Fokus/Frauen-und-Maenner/generische-Publikationen/Frauen-Maenner-Arbeitsmarkt.pdf?__blob=publicationFile

Melter, C. (2006). Rassismuserfahrungen in der Jugendhilfe: Eine empirische Studie zu Kommunikationspraxen in der Sozialen Arbeit. Waxmann.

Pfahl, S., Unrau, E., Lott, Y., & Wittmann, M. (2023). Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in ausgewählten Branchen (Bd. 80). o.V. https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?produkt=HBS-008516

Tißberger, M. (2020). Soziale Arbeit als weißer* Raum – eine Critical Whiteness Perspektive auf die Soziale Arbeit in der postmigrantischen Gesellschaft. Soziale Passagen, 12(1), 95–114. https://doi.org/10.1007/s12592-020-00342-5

Vollmann, M., & Zierlinger, L. (2021). Für mehr Feminismus in Unternehmen. In A. Sihn-Weber (Hrsg.), CSR und Inklusion. Bessere Unternehmensperformance durch gelebte Teilhabe und Wirksamkeit (S. 397–416). Springer.

Wiese, B., & Kiss, J. (2018). Frauen in Führungspositionen in Non-Profit-Organisationen – eine empirische Studie. In Führen & Leiten in sozialen Einrichtungen. Eine Tagung der Reihe »Forum Sozialmanagement« der Fachhochschule Potsdam & des AWO Landesverbandes Brandenburg e.V. (S. 6–11). o.V. https://www.awo-brandenburg.de/2018-09-24_awoBB-fhP_fsm-doku-996823.pdf

*In diesem Beitrag sollen Aspekte der Bedeutung von Gender und Sozialer Arbeit aufgezeigt werden. Dabei sind wir uns bewusst, dass eine einfache Aufteilung in zwei Geschlechter die Vielfalt der Menschen und ihre geschlechtliche Identität nicht angemessen repräsentiert. In diesem Kontext betrachten wir Geschlecht als eine gesellschaftliche Konstruktion.

**Als Menschen „mit Migrationsgeschichte“ sieht beispielsweise der Berliner Senat Personen „mit Migrationshintergrund, Personen, die rassistisch diskriminiert werden und Personen, denen ein Migrationshintergrund allgemein zugeschrieben wird. Diese Zuschreibung kann insbesondere an phänotypische Merkmale, Sprache, Namen, Herkunft, Nationalität und Religion anknüpfen.“

***Diese Merkmale sind nicht die einzigen, die zu Ungleichheit führen können. Sie sind jedoch – zumindest in einigen Themenbereichen – durch Studien erforscht, weswegen wir uns hier darauf beziehen können.

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